PALAZZO 1989 – 2018

Die Geschichte eines einzigartigen Technoclubs, erzählt von Joachim Muno & Udo Niebergall. Wir wollen hier versuchen, in einem kurzen Zeitraffer die Geschichte des Palazzo aus unserer Sicht wiederzugeben. Vieles wird unerwähnt bleiben, alle Anekdoten und Erlebnisse aus Bingen würden einfach den Rahmen sprengen.

Von Joachim Muno:

1989 wurde die ALTE STADTHALLE von Bingen zu einem Tanztempel umgebaut.
Sigi Laut, der schon viele Jahre davor einen Kultclub, die Music Hall in Frankfurt, führte, wollte den perfekten Club bauen – mit 2 Floors, Bistro und Openair Terrasse.

Er arbeitete mit seinem Team über ein Jahr an dieser Vision. Da er viel Wert auf Details und die Akustik legte, verschlang der Umbau des historischen Gebäudes über 9 Millionen DM.

Die Lage des Clubs ist einzigartig – direkt am Rhein, mit traumhaftem Blick über das Wasser bis hin nach Rüdesheim und die umliegenden Weinberge. Wer bis in den frühen Morgen feiert und dann auf der großen Rheinterrasse steht, erlebt wie sich die ersten Sonnenstrahlen den Weg durch den Nebel bahnen und das Wasser zum Glitzern bringen. Diese Belohnung für eine durchtanzte Nacht bekommt man im Palazzo fast immer. In den ersten fünf Jahren wurde der Club als typische Großraumdisco geführt, mit wechselnden Musikrichtungen von Pop über Rock bis hin zu Hip Hop.

Von Udo Niebergall:

Nachdem ich diverse Veranstaltungen im Rhein-Main-Gebiet durchgeführt hatte, wurde ich 1994 mit Joachim Muno in der Binger Discothek Palazzo vorstellig. Wir präsentierten unser We-Love-Music Konzept: Eine monatliche Veranstaltungsreihe mit Gast-DJs. Die Idee wurde angenommen, fortan buchten wir jeden 1. Freitag im Monat deutsche und internationale Gast-DJs und Live Acts. Den Anfang machte Westbam im Februar ‘94.

Der zuvor schwache Palazzo-Freitag schlug ein wie eine Bombe und lockte statt 300 nun 2.000 Besucher an. Wir koordinierten die Werbung, das Showprogramm mit Tänzern und Artisten, die DJs und Live Acts – eben alles, was zu einer besonderen Veranstaltung dazugehört. Das Palazzo wurde aufgrund der ausgedehnten Werbung, den hochkarätigen Bookings und der exzessiven Partys in kürzester Zeit über die Landesgrenzen hinweg bekannt.

Wir gestalteten viele Motto-Partys, z.B. Labelnights mit Bonzai und Djax up (später Tresor-, Cocoon- und CLR-Labelnights), Hardcore-Events mit der Rotterdam-Crew um Paul Elstak oder den Cosmic 7 mit DJ-Rotationen. Erste Techno-Konzerte mit Cosmic Baby, Ilsa Gold uvm. fanden in den darauf folgenden Jahren im Palazzo statt.

Optische Reize, z.B. die italienische Architektur des Clubs, der legendäre Palazzo-Laser, die 8-köpfige Tänzercrew, die Verhüllung des großen Clubs mit tausenden Gänsefedern und viele weitere Specials trugen zur Einzigartigkeit bei und die 1. Liga der Techno-DJs (Hawtin, Mills, Väth, Liebing, etc.) fanden regelmäßig den Weg in die Heiligen Hallen am Rhein.

Von Joachim Muno:

1999 wollte sich der Betreiber Sigi Laut zur Ruhe setzen und den Club verkaufen. Das lag nicht in unserem Interesse, denn würde auch der neue Betreiber mit externen Veranstaltern arbeiten und Technoevents zulassen?

Unser Herz hing mittlerweile zu sehr an diesem Club und deshalb entschlossen wir uns, das Palazzo selbst zu kaufen. Allerdings wussten wir damals noch nicht, wie viel Zeit man in einen solch großen Club, mit 50 Mitarbeitern, Instandhaltung, Promotion, Buchhaltung etc. investieren muss. Die Musikproduktionen im Tonstudio und Plattenlabels wurden auf ein Minimum heruntergefahren, weil einfach zu wenig Zeit blieb um beides unter einem Hut zu bekommen.

Wie man gute Veranstaltungen durchführt, wussten wir mittlerweile. Aber jetzt mussten wir die Gesetze der Gastronomie und die ganz eigenen Gesetze dieses besonderen Gebäudes kennen lernen. Die alte Stadthalle in Bingen stammt aus dem neunzehnten Jahrhundert und man muss das alte Gemäuer sehr gut kennen und verstehen lernen, damit ein moderner Club darin funktioniert. Sehr oft standen wir in den zahllosen Gängen des Kellers und pumpten das Rheinwasser heraus, suchten in den kilometerlangen Schächten nach defekten Elektrokabeln oder dichteten das gewaltige Holzdach ab – und das alles meist während des laufenden Betriebs.

Aber wir lieben unser Palazzo und man spürt wirklich eine Seele in diesem Gebäude. Die Mauern, Wände und Gänge können unzählige Geschichten aus den letzten 100 Jahren erzählen.

Jeden Samstag feierte die Palazzo-Gemeinschaft sich selbst und Ihre Heroes hinter den Decks, wobei man sagen kann, dass ein Palazzo-Event eher mit einem richtigen Konzert als mit einer normalen Clubparty zu vergleichen ist.

1999 – 2003, vier Jahre waren wir nun Clubbesitzer, mit allen Vor- und Nachteilen, die das Nachtleben so mit sich bringt.

Von Udo Niebergall:

Ende 2002

Im Februar 2003 verkündeten wir unser Ausscheiden aus dem Clubgeschäft. Für viele brach eine Welt zusammen. Das Palazzo, von den Stammgästen auch liebevoll ihr „Wohnzimmer“ genannt, wurde dicht gemacht!

Drei Closing Partys fanden statt, nachdem die neuen Käufer zweimal kurzfristig abgesprungen waren:

  • Palazzo Closing (Feb ‘03)
  • The Final (März ’03)
  • 13 Years Palazzo (Mai ’03)

Das Palazzo Closing, mit angebauten Zelten, war ein legendärer 30 Stunden Marathon – nonstop. Hierfür haben wir einen Song produziert, als Dank an die treuen Palazzo-Fans: THE END von den DOORS, neu eingespielt und gesungen von unserer eigenen Band TUBE-TECH.Der Song entwickelte sich, zu unserer Überraschung zum weltweiten Clubhit und in vielen DJ- & Dance-Charts erreichten wir sogar Platz 1.

Fortan verlagerten wir unsere Arbeit wieder mehr ins Tonstudio, betrieben das Beatdisaster Label mit Eric Sneo und gingen mit unserer Band Tube-Tech auf Tour. Parallel dazu veranstalteten wir einige Palazzo-Events in verschiedenen Locations (U60311/Frankfurt, MS Connexion/Mannheim, Ypsilon/Idar-Oberstein, Phönix-Halle/Mainz, Lokhalle/Mainz Palazzo Airbase/Sembach).

Die Compilationreihe Palazzo Vol. 1 – 7 und verschiedene DVDs rundeten das Konzept ab.
Auf den hauseigenen Technolabels Beatdisaster, Masters of Disaster und We Love Music veröffentlichen wir heute noch Tracks diverser Top Acts (Gayle San,The Advent, Eric Sneo) und Newcomer, z.B. die Palazzo-Residents DANIEL SOAVE und SASCHA KROHN.

Von Joachim Muno:

Was in der Zeit von 2003 bis 2007 mit unserem alten Palazzo passierte, wissen wir auch nur vom Hörensagen und aus der Tagespresse. Der Club erhielt nicht nur den neuen Namen “Capitol”, sondern auch einen Umbau und ein ganz anderes Musik-Konzept. Der neue Betreiber aus dem Saarland sowie die Stadt Bingen wollten keine “Raver” im Club und so wurden „1 Euro Partys“ und Hip Hop Events eingeführt. Das Ende vom Lied kam dann. Der Betreiber hatte endgültig die Nase voll von Bingen und seinem Capitol. Es kam erneut zum Verkauf. Als wir erfuhren, dass ein neuer Käufer aus Frankfurt  den Club übernimmt, spürten wir, dass die Zeit für eine Auferstehung des Palazzo gekommen war.

Schnell war man sich einig, dass wir als Veranstalter mit unserer Marke PALAZZO wieder in die heiligen Hallen am Rhein einzogen. Wir planten nur 5 Events im Jahr, um dieses Mal die Studioarbeit, die Booking-Agentur und unsere Band nicht zu vernachlässigen.

Was dann zum „PALAZZO OPENING – we are back“ im März 2008 passierte, übertraf unsere Vorstellung vollends. Nicht nur die alten Palazzo-Fans (viele heute selbst Familienväter bzw. Mütter), sondern auch jüngere Leute, die früher aus Altersgründen nicht in den Club konnten, kamen in Scharen aus der ganzen Republik angereist. Von München bis Berlin, aus den benachbarten Ländern, von Holland bis Österreich, wollten alle bei der Auferstehung des Kultclubs dabei sein.
Bereits eine Stunde vor Einlass war der Parkplatz vor der Eingangstür in ein Meer von Menschen getaucht. Dieses Phänomen hält bis heute bei jedem Palazzo-Event an.

Eine hingebungsvolle Licht- und Tontechnik von dem leider schon verstorbenen Steve Mach (Lightjockey der ersten Stunde) sowie die Palazzo Residents Eric Sneo, Daniel Soave und Sascha Krohn garantieren immer das Beste für Augen und Ohren

Nach mehrfachen Umbauten und Betreiberwechsel hatten sich Inneneinrichtung und Architektur  verändert, aber die Grundsubstanz und der besondere Charakter des Clubs sind weiterhin geblieben. Das gesamte Gebäude sollte 2017 komplett umbebaut werden und einen neuen Verwendungszweck finden. Doch sehr hohe Kosten durch Denkmal geschützte Auflagen verhinderten dies bis heute. Es kann aber jederzeit noch verkauft werden und Keiner kann wissen was dann daraus entstehen wird. 

Deshalb unser Tipp > Feiert jede Party die dort noch mal stattfinden darf, als wäre es eure letzte!

Die Agentur We-Love-Music (Muno & Niebergall) ist Markeninhaber des Namens PALAZZO und der Eventreihe TANZ DER FAMILIE. Sie werden ihr Musikkonzept in Zukunft auch in neuen außergewöhnlichen Locations weiterführen und so diese besondere Palazzo-Fangemeinde zusammenhalten!

Joachim Muno & Udo Niebergall